Sonntag, 23. Dezember 2012

Kapitel 18♥


Der Wecker riss mich unsanft aus meinen Träumen. Viel geschlafen hatte ich sowieso nicht und wenn dann hatte ich nur Albträume gehabt. Meine Augenringe mussten unendlich sein. Ich gähnte und wusste das heute ein wundervoller Tag werden würde.

Als ich nach unten kam ignorierte ich meine Eltern. Ich hatte momentan echt keinen Bock mit irgendjemanden zu reden und besonders nicht mit meinen Eltern. Ich schnappte mir einfach meine Tasche und verschwand nach draußen. Meine Gedanken kreisten um Jendrik und Basti. Meine Füße trugen mich wie von selbst zum Bus und ich kam mir vor wie in Trance. Als würde alles um mich herum verschwinden. Nur ich und meine Gedanken waren präsent.

Ich kam zehn Minuten vor Stundenbeginn vor meiner Klasse an. Ausnahmsweise mal Pünktlich. Respekt, Jana! Aber es hatte einen Nachteil. Jendrik würde mich höchstwahrscheinlich noch vor der Stunde aufsuchen und mit mir reden wollen. Na super. Ich hatte mich überhaupt nicht darauf vorbereiten können. Was genau sollte ich ihm sagen? Wollte ich überhaupt mit ihm reden? Doch mir blieb nicht lange Zeit um darüber nach zu denken, denn Jendrik kam aus dem Klassenraum gestürmt und wäre fast in mich hinein gerannt. „Jana, Süße“, sagte er. Kotz, Würg, Kreisch! Wieso mussten wir ausgerechnet den ersten Kurs an diesem Tag gemeinsam haben? Kann ich nicht noch ein bisschen Bedenkzeit haben? Natürlich bekam ich diese Zeit nicht. „Was willst du?“, fragte ich tonlos. Ich hatte gerade echt keine Nerven für ihn und seine Entschuldigungen. Vor allem wusste ich nicht was ich sagen sollte, außer 'Fick dich du Arsch und lass mich in Ruhe'. Reden war noch nie mein Talent gewesen, also ging ich einfach an ihm vorbei und ließ mich auf meinem Platz neben Mia nieder. Sie hatte uns natürlich die ganze Zeit beobachtet. Ich hörte Jendriks Schritte hinter meinem Rücken. „Lass mich doch einfach in Ruhe. Verschwinde!“, fuhr ich ihn an. Wieso sagte ich das jetzt? Ich war nicht Herr meiner selbst, denn eigentlich wollte ich ihm doch klar machen was für eine Scheiße er gebaut hatte. „Nein. Ich will jetzt mit dir reden und dir alles erklären. “, sagte er. Er wusste ganz genau was los war und es interessierte mich gerade einen Scheißdreck was er für Entschuldigungen hatte. Mir war es gerade auch scheiß egal, dass die Hälfte der Klasse, die schon da war, uns neugierig beobachtete und leise über uns tuschelten. Ich nahm all meinen Mut zusammen, stand von meinem Platz auf und baute mich vor Jendrik auf. „Pass mal auf du Arsch! Nur weil ich nicht sofort meine Beine breit mache und meine Ehre an irgendeinen Typen verschwende, der sich ne' Zeit lang mein Freund nannte, ist das noch lange kein Grund sich eine andere zu suchen. Hab Spaß in deinem Leben als Single!“

Jendrik erwiderte nichts. Ich hatte den Kerl zum schweigen gebracht. Alle starrten mich an, doch das war mir so egal. Ich sah nur Jendrik an, der gar nicht wusste wie ihm geschah. So eine Memme! War jetzt der Moment um ihm zu zeigen das ich mir von ihm nichts, aber auch rein gar nichts gefallen lassen werde? Ja, es war dieser Moment. „Was meinst du, was hast du von ihr? Bedingungslosen Sex. Dein Ernst? Sei doch nicht so naiv. Früher oder später wird sie sich in dich verlieben und dann wirst du sie abschießen und du angelst dir die nächste. Soll das dein Leben sein? Tu lieber was für die Schule, anstatt dich durch's Leben zu vögeln und dich darüber zu freuen das du ne' fünf geschrieben hast. Dann hast du auch die Chance später mal anständig für eine Frau sorgen zu können. Aber dafür bist du verantwortlich. Leb dein Leben doch wie du willst, aber ohne mich“

Mir standen die Tränen in den Augen aber trotzdem war mein Blick eiskalt. Woher hatte ich diesen Mut? Ich war erschrocken über mich selbst. Hatte mein Ego Anabolika genommen? Das war doch nicht ich gewesen, die da gerade so herumgeschrien hatte.

Jendrik flüsterte etwas und legte besänftigend seine Hand auf meinen Arm, doch ich schüttelte sie ab. „Pack mich nicht an.“ keifte ich. Ich konnte nicht mehr. Ich wusste, dass ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Ich nahm meine Tasche und rannte aus der Klasse. Ich wollte einfach nur noch weg. Weg von meinen tuschelnden und kichernden Klassenkameraden und von Jendrik. Ich wollte ihn nie wieder sehen. Nie Wieder!


Kapitel 17♥


Der Abschied war mir viel zu schwer gefallen. Ich hatte Angst, dass ich ihn jetzt schon zu sehr mochte. Ich war doch noch nicht mal über Jendrik hinweg. Allein bei einem Gedanken an ihn spürte ich wieder das Ziehen in der Herzgegend und diese schwere Traurigkeit, die sich wie ein Schleier über mich legte und mir Tränen in die Augen trieb. Aber ich spürte auch eine tiefe Wut und Enttäuschung. Basti war dagegen irgendwie der Sonnenschein, der Gedanke an ihn half mir Momentan, Jendrik für kurze Zeit zu vergessen. Doch ich wusste, dass ich noch nicht bereit war für eine Beziehung war. Oh Gott, wieso war ich nur so naiv. Basti wollte bestimmt nichts von mir. Wieso auch? Ich war ein stink normales Mädchen, mit Teenagerproblemen. Was sollte er also mit so einer? Er meinte, dass er noch fünf Tage hier verbringen würde und in dieser Zeit hoffte ich, dass er sich noch mal mit mir treffen wollte.

Oh nein! Ich hatte es ja ganz vergessen. Meine Eltern mussten schon wieder nach Hause gekommen sein. Ich hatte ihnen gar nichts davon gesagt, dass ich weg sein würde. Hoffentlich hatte Justi meinen Eltern erklärt wo ich steckte. Obwohl, dem hatte ich auf Grund meiner Hektik gar nicht gesagt wo ich hin wollte. Wahrscheinlich hatten meine Eltern sich mal wieder grundlos Sorgen gemacht und mich pausenlos auf dem Handy angerufen. Als ich es aus der Tasche zog fiel mir auf, dass ich es gar nicht angeschaltet hatte. Ich schaltete es an und seufzte, als ich mir tausende SmS und „Anrufe in Abwesenheit“ angezeigt wurden. Na super. Unzählige: Wo bist du?, Wir machen uns Sorgen und Wir melden dich gleich als vermisst, überflog ich nur, bis ich am Ende auf eine ungelesene SmS stieß, die mein Herz einen Takt aussetzen ließ. Nicht vor Aufregung oder gar Verlegenheit. Nein! Vor Wut und Traurigkeit. Er hatte wohl auf meine unschöne SmS am Vortag geantwortet. Wollte ich überhaupt lesen was er mir zu sagen hatte? Nein. Doch gegen meinen Verstand öffnete ich die Nachricht: „Was denn los Süße? Welche Blondinen? ♥“

Was sollte ich fühlen und vor allem wie sollte ich reagieren? Zunächst war da einfach nur Leere und eiskalte Gleichgültigkeit, doch dann traf mich wieder der tiefe Stich ins Herz der mir die Tränen in die Augen trieb. Tat er wirklich so dumm? Glaubte er im Ernst das ich ihm glaubte? Wieso tat er jetzt so als wüsste er von nichts. Oh Gott, wie ätzend war dieser Kerl. Allein dieses 'Süße'. Das konnte er sich sparen. So wütend ich auch war. Tief im Inneren war ich eher platt und verletzt. Wie sagt man doch immer so schön? „Klein – mit – Hut“. Ja, genau so fühlte ich mich. Jetzt brauchte man mich nur an pusten und ich würde ohne Widerstand zu Boden gehen.

Den Rest gab mir dann die Standpauke meiner Eltern. „Wo bist du gewesen?“ oder „Wieso hinterlässt du uns nie eine Nachricht?“ hallte es noch in meinem Kopf, als ich in meinem Bett lag und versuchte die Decke nieder zu starren. An schlafen war jetzt gar nicht zu denken. Wie sollte ich morgen auf Jendrik reagieren? Ignorieren oder Reden? War ich stark genug um ihm meine Meinung zu sagen und einen eindeutigen Schlussstrich zu ziehen?

Samstag, 22. Dezember 2012

Kapitel 16♥


Um Punkt halb drei stand ich auf dem Platz vor dem Studio. Vor mir befand sich ein Hochhaus, mit mehreren Werbeagenturen, darunter auch das Tonstudio. In der zweiten Etage hing, wie gestern, immer noch das Schild mit der Aufschrift „Nickys Tonstudio“. Allgemein war die Gegend hier sehr trübe und grau. Viele Blockhäuser ragten in den Himmel und es wirkte alles sehr sozial schwach. Ich blickte mich weiterhin um. Was sollte ich jetzt tun? Wieso hatten wir nicht besprochen wo wir uns trafen? Sollte ich mich wie gestern auf die Bank setzen und warten bis Basti runter kam oder sollte ich klingeln? Das Tonstudio hatte doch sicherlich eine Klingel? Doch meine Frage erübrigte sich schnell, denn Basti öffnete die Tür und kam grinsend auf mich zu. Mein Magen spielte total verrückt als ich ihm entgegen ging. Ich hatte das Gefühl das alles in mir tanzte. Wieso sah dieser Junge nur so unglaublich gut aus? „Hey“ sagte Basti, als er mich umarmte, „schön das du da bist.“ Als wir uns voneinander gelöst hatten lächelten wir uns an. „Komm, ich muss wieder hoch. Meine Arbeit wartet“ sagte er sarkastisch. Er hielt mir die Tür auf und geleitete mich nach oben.

Das Tonstudio war klein, aber nett eingerichtet. Überall an den Wänden hingen Preise und Platten von Künstlern die der Manager von diesem Studio scheinbar groß raus gebracht hatte. Wie schade das ich keinen einzigen von ihnen kannte. Die Musiker hatten wohl andere Zielgruppen, zu denen ich nicht gehörte. Basti nahm mir meine Jacke ab und hängte sie hinter uns an die Garderobe. Ich lächelte ihn freundlich an und bedankte mich. Danach führte er mich zu zwei Männern die in einem Raum saßen der mit unfassbar vielen Knöpfen, Geräten und Schaltern ausgestattet war. Vermutlich war dies der Raum in dem die Aufnahmen verarbeitet wurden. „Das ist Gottfried!“ Basti zeigte auf einen großen, schlanken Mann, mit blonden lockigen Haaren. Er wirkte etwas grimmig, aber trotzdem erinnerte er mich etwas an Tim Bendzko. Das war wohl sein neuer Manager. Ich wusste schon das er nicht annähernd so cool sein könnte, wie Murat, sein alter Manager. Trotzdem begrüßte ich ihn höflich, während Basti sich dem Mann mit braunen langen Haaren zuwendete. „Und das ist Ralf.“ auch diesen begrüßte ich freundlich. Er sah etwas verrückt aus, aber das gefiel mir. Er machte eine Geste mit der Hand die einem Matronsengruß ähnelte und lächelte.

Wenige Minuten später saß ich neben Ralf auf einem Stuhl, hatte riesige Kopfhörer auf und lauschte Bastis Stimme. Er befand sich hinter der Glasscheibe und fing gerade an sich einzusingen.

Eine Gänsehaut lief mir den Rücken hinunter als seine bezaubernde Stimme in mein Bewusstsein eindrang. Ich beobachtete ihn glücklich durch die Scheibe. Ich spiegelte mich darin und vor meinen Augen verschwamm ich mit Basti, der genau hinter meinem Spiegelbild stand, als wären wir eine Person. Meine Fingerspitzen kribbelten und ich schlug die Augen nieder, als er mir durch mein Spiegelbild zulächelte.

Seine unglaublich perfekte Stimme raubte mir den Atem. Was fand er nur an mir? Ich fragte mich auch, warum er mich eigentlich nicht erkannt hatte. Ich hatte ja schon auf mehreren Konzerten in der ersten Reihe gestanden und hatte in der Autogrammstunde meine Alben und Fotos unterschreiben lassen. Wahrscheinlich war ich immer nur ein Fan unter vielen gewesen und er hatte sich mein Gesicht einfach nicht gemerkt.

Im Moment sang er 'Last Christmas'. Ich liebte das Lied und ich fand er sang es viel besser als der eigentliche Interpret. Wer sang es eigentlich noch? Ich hatte keinen Plan, mein Gehirn hatte momentan sowieso nur Platz für Basti . Ich liebte seine Stimme und das Lied und ich konnte nicht anders als leise und natürlich auch ein bisschen schief mitzusingen, woraufhin ich einen missbilligenden Seitenblick von Tim Bendzko, alias Gottfried, kassierte, sodass ich schlagartig aufhörte zu singen. Na super. Ich hab's halt nicht so drauf. Verlegen lächelte ich, ließ mich aber nicht weiter verunsichern und wandte mich wieder Basti zu.

Er sang seine letzten wundervollen Töne und setzte dann seine Kopfhörer ab. Nachdem er ein paar Worte mit Gottfried und Ralf gewechselt hatte wendete er sich mir zu. „Na, wie fandest du mich?“, fragte er und lächelte gutgelaunt.

Ja klar, ich hatte ihn ja noch nie vorher Singen gehört, dachte ich mir und grinste ihn dann schelmisch an. „Wow, ich weiß gar nicht was ich was ich sagen soll, deine Stimme ist so unglaublich gefühlvoll“ - „Ich hab ja auch für dich gesungen“, sagte er liebevoll und mir schoss das Blut in die Wangen. Er sah so süß aus mit seinem Dackelblick. Er konnte so unglaublich toll singen. Und er verzauberte mich mit seiner Stimme und seinem Lächeln, dass sich jetzt auf seinem Gesicht ausbreitete und seine Augen zum leuchten brachte. Mein Herz fing an schneller zu schlagen. Was sollte das jetzt? Stand ich jetzt etwa auf ihn?