Der
Wecker riss mich unsanft aus meinen Träumen. Viel geschlafen hatte
ich sowieso nicht und wenn dann hatte ich nur Albträume gehabt.
Meine Augenringe mussten unendlich sein. Ich gähnte und wusste das
heute ein wundervoller Tag werden würde.
Als
ich nach unten kam ignorierte ich meine Eltern. Ich hatte momentan
echt keinen Bock mit irgendjemanden zu reden und besonders nicht mit
meinen Eltern. Ich schnappte mir einfach meine Tasche und verschwand
nach draußen. Meine Gedanken kreisten um Jendrik und Basti. Meine
Füße trugen mich wie von selbst zum Bus und ich kam mir vor wie in
Trance. Als würde alles um mich herum verschwinden. Nur ich und
meine Gedanken waren präsent.
Ich
kam zehn Minuten vor Stundenbeginn vor meiner Klasse an.
Ausnahmsweise mal Pünktlich. Respekt, Jana! Aber es hatte
einen Nachteil. Jendrik würde mich höchstwahrscheinlich noch vor
der Stunde aufsuchen und mit mir reden wollen. Na super. Ich hatte
mich überhaupt nicht darauf vorbereiten können. Was genau sollte
ich ihm sagen? Wollte ich überhaupt mit ihm reden? Doch mir blieb
nicht lange Zeit um darüber nach zu denken, denn Jendrik kam aus dem
Klassenraum gestürmt und wäre fast in mich hinein gerannt. „Jana,
Süße“, sagte er. Kotz, Würg, Kreisch! Wieso mussten wir
ausgerechnet den ersten Kurs an diesem Tag gemeinsam haben? Kann ich
nicht noch ein bisschen Bedenkzeit haben? Natürlich bekam ich diese
Zeit nicht. „Was willst du?“, fragte ich tonlos. Ich hatte gerade
echt keine Nerven für ihn und seine Entschuldigungen. Vor allem
wusste ich nicht was ich sagen sollte, außer 'Fick dich du Arsch
und lass mich in Ruhe'. Reden war noch nie mein Talent gewesen, also
ging ich einfach an ihm vorbei und ließ mich auf meinem Platz neben
Mia nieder. Sie hatte uns natürlich die ganze Zeit beobachtet. Ich
hörte Jendriks Schritte hinter meinem Rücken. „Lass mich doch
einfach in Ruhe. Verschwinde!“, fuhr ich ihn an. Wieso sagte ich
das jetzt? Ich war nicht Herr meiner selbst, denn eigentlich wollte
ich ihm doch klar machen was für eine Scheiße er gebaut hatte.
„Nein. Ich will jetzt mit dir reden und dir alles erklären. “,
sagte er. Er wusste ganz genau was los war und es interessierte mich
gerade einen Scheißdreck was er für Entschuldigungen hatte. Mir war
es gerade auch scheiß egal, dass die Hälfte der Klasse, die schon
da war, uns neugierig beobachtete und leise über uns tuschelten. Ich
nahm all meinen Mut zusammen, stand von meinem Platz auf und baute
mich vor Jendrik auf. „Pass mal auf du Arsch! Nur weil ich nicht
sofort meine Beine breit mache und meine Ehre an irgendeinen Typen
verschwende, der sich ne' Zeit lang mein Freund nannte, ist das noch
lange kein Grund sich eine andere zu suchen. Hab Spaß in deinem
Leben als Single!“
Jendrik
erwiderte nichts. Ich hatte den Kerl zum schweigen gebracht. Alle
starrten mich an, doch das war mir so egal. Ich sah nur Jendrik an,
der gar nicht wusste wie ihm geschah. So eine Memme! War jetzt der
Moment um ihm zu zeigen das ich mir von ihm nichts, aber auch rein
gar nichts gefallen lassen werde? Ja, es war dieser Moment. „Was
meinst du, was hast du von ihr? Bedingungslosen Sex. Dein Ernst? Sei
doch nicht so naiv. Früher oder später wird sie sich in dich
verlieben und dann wirst du sie abschießen und du angelst dir die
nächste. Soll das dein Leben sein? Tu lieber was für die Schule,
anstatt dich durch's Leben zu vögeln und dich darüber zu freuen das
du ne' fünf geschrieben hast. Dann hast du auch die Chance später
mal anständig für eine Frau sorgen zu können. Aber dafür bist du
verantwortlich. Leb dein Leben doch wie du willst, aber ohne mich“
Mir
standen die Tränen in den Augen aber trotzdem war mein Blick
eiskalt. Woher hatte ich diesen Mut? Ich war erschrocken über mich
selbst. Hatte mein Ego Anabolika genommen? Das war doch nicht ich
gewesen, die da gerade so herumgeschrien hatte.
Jendrik
flüsterte etwas und legte besänftigend seine Hand auf meinen Arm,
doch ich schüttelte sie ab. „Pack mich nicht an.“ keifte ich.
Ich konnte nicht mehr. Ich wusste, dass ich meine Tränen nicht mehr
zurückhalten konnte. Ich nahm meine Tasche und rannte aus der
Klasse. Ich wollte einfach nur noch weg. Weg von meinen tuschelnden
und kichernden Klassenkameraden und von Jendrik. Ich wollte ihn nie
wieder sehen. Nie Wieder!